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»Na, dann ist es ja gut«, antwortete Virginia,
aber ihre Stimme klang nach wie vor besorgt, und
als sie Nick folgte, blieb sie immer einen Schritt
hinter ihm.
»Komm, bei Fuß!« rief Nick. »Komm schon,
Charley.«
Aber abgesehen von ein paar besonders fetten
Spinnen, die Virginia argwöhnisch im Auge be-
hielt, schien sich kein Lebewesen in dem Raum
aufzuhalten. Dabei hätte jetzt auch Nick schwören
können, daß er Charleys Anwesenheit hier irgend-
wo spürte. Virginia schien es nicht anders zu ge-
hen. Sie war stehengeblieben, um sich gründlich
umzuschauen. Dann schien sie etwas entdeckt zu
haben. Sie ging in die Hocke und klopfte sich ein
paar Spinnweben vom Pullover, um dann einen
Stapel zerfledderter Comic-Hefte vom Boden auf-
zuheben.
»Nick, sieh mal«, sagte Virginia. »Hier sind Co-
mic-Hefte.«
Nick folgte ihrem Blick und runzelte die Stirn,
»Sie sind alle in spanisch«, sagte er. »Merkwürdig.
Wer sie hier wohl gelesen hat?« Dann fiel ihm ein
schwacher Lichtschein auf der gegenüberliegen-
den Seite des Raumes auf. »Da scheint es weiter-
zugehen. So, wie es aussieht, ist dort ein Flur.« Ihn
überfiel plötzlich ein Gefühl merkwürdiger Unru-
he, wie eine Vorahnung, eine kaum wahrnehmba-
re Warnung, die er dennoch ernst nahm. »Ich glau-
be, hier kommt man auf direktem Weg ins Lager«,
sagte er. »Wir sollten uns beeilen, bevor Charley
dort irgendwo unter die Räder gerät.«
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Virginia nickte und legte die Comic-Hefte zu-
rück, überlegte es sich aber dann doch noch anders.
Sie nahm ein Heft und steckte es sich in den Gürtel.
»Können Ratten eigentlich einem Hund wie Char-
ley gefährlich werden?« fragte sie ängstlich.
»Ratten wohl weniger«, murmelte Nick. »Aber
jetzt komm! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Nick hatte recht gehabt. Hinter dem Raum lag
tatsächlich ein Flur, und von ihm gingen mehrere
Türen ab. Aber es waren keine normalen Holztü-
ren, wie sie ihm Wohnbereich üblich waren, son-
dern schwere, eiserne Türen, die ihnen verrieten,
daß sie nun tatsächlich auf dem Weg zum Spiel-
zeughimmel-Lager waren. Ein strenger Geruch
schlug ihnen entgegen, eine Mischung aus undefi-
nierbaren Maschinengerüchen und einem modri-
gen Gestank, der sich hier in die Wände festge-
krallt zu haben schien.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Nick. »Wie sollte
ein Hund durch diese Türen kommen? Er muß
sich hier irgendwo versteckt haben.«
»Oder er ist durchgewitscht, als jemand gerade
eine Tür aufgemacht hatte«, meine Virginia.
»Du hast recht. Das wäre natürlich auch mög-
lich.« Er ging auf eine der schweren Eisentüren zu
und versuchte sie zu öffnen. Aber zu seiner Ent-
täuschung war sie abgeschlossen.
»Nick! Vorsicht!« schrie Virginia in diesem Mo-
ment.
Nick wirbelte herum. Hinter ihm, wie aus dem
Nichts aufgetaucht, stand ein kräftiger Mann in ei-
nem teuren Anzug, der an ihm seltsam deplaziert
wirkte. Er wirkte eher wie ein Schläger, der nor-
malerweise Jeans und Lederjacke trägt. Und das
war gar nicht so weit hergeholt: Er hatte die rechte
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Hand gehoben und zur Faust geballt, als ob er je-
den Moment zuschlagen wollte. Sein eines Auge
fixierte Nick dabei unangenehm, während das an-
dere wild herumrollte.
»Was tut ihr hier?« fragte er drohend.
Bevor Nick antworten konnte, stieß Virginia er-
neut einen Schrei aus. Diesmal klang er allerdings
erfreut. »Da bist du ja«, sagte sie und ließ sich in
die Hocke hinab, um Charley hinter den Ohren zu
kraulen. Der Hund war plötzlich hinter einer al-
ten, verrosteten Maschine aufgetaucht und gleich
auf den Flur zu Virginia gestürmt. »Und jetzt zie-
hen wir erst mal dieses blöde Ding aus«, fuhr sie
fort und machte sich an der Monster-Killer-Mon-
tur zu schaffen.
»Du bist doch diese Göre, die jetzt hier wohnt«,
sagte der Mann mit dem rollenden Auge zu Virgi-
nia.
»Jawohl«, sagte Virginia so freundlich wie sie
konnte. Aber sie konnte nicht verhindern, daß ihre
Stimme zitterte. »Und Sie sind Ned, nicht wahr?
Mein Onkel hat mir schon viel von Ihnen er-
zählt ...« Sie schluckte krampfhaft. »Natürlich nur
Positives.«
»Schmalzgelaber«, schimpfte Ned. »Und das er-
klärt mir immer noch nicht, was du mit diesem
Kerl«, er deutete auf Nick, »hier zu schaffen hast.«
»Der Hund ist uns entwischt«, antwortete Nick
an ihrer Stelle. »Wir haben ihn nur gesucht.«
»So, so. Der Hund.« Ned verzog abfällig das Ge-
sicht und machte damit klar, daß er bestimmt kei-
nem Hund hinterherlaufen würde. »Aber das ist
keine Entschuldigung. Dieser Bereich liegt außer-
halb eurer Grenzen ... Kapiert?« In diesem Mo-
ment entdeckte er das Comic-Heft, das sich Virgi-
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nia in den Gürtel geklemmt hatte. Mit einem Satz
war er bei ihr und riß es hervor. »Und was ist das
hier?« fragte er triumphierend. »Habt ihr bei der
Gelegenheit gleich was mitgehen lassen?«
»Nein ... ich ... ich wollte nur «, stammelte Vir-
ginia. Sie wußte selber nicht mehr genau, warum
sie das Comic-Heft mitgenommen hatte.. »Ganz
bestimmt hätte ich es wieder zurückgelegt.«
»Das glaubst du doch selber nicht, oder?« droh-
te Ned. »Wenn ich dich oder deinen sauberen
Freund hier noch einmal erwische, muß ich leider
deinem Onkel davon Mitteilung machen. Und
auch davon, daß du eine gemeine Diebin bist, die
einfach alles einsackt, was sie findet! «
Das Erlebnis mit dem unheimlichen Ned steckte
beiden noch in den Knochen, aber zumindest Nick
war nicht willens, sich das anmerken zu lassen. Er
hatte nicht damit gerechnet, in der realen Welt auf
solch finstere Gestalten wie diesen Ned zu stoßen.
Offensichtlich hatte er in der Abgeschiedenheit
des Nordpols und in der Hektik der Spielzeugpro-
duktion überhaupt nicht mitbekommen, was in
der Welt wirklich vor sich ging. Die Gewalt und
Selbstsucht war auf dem Vormarsch und drohte
alles beiseite zu wischen, was sich ihr an morali-
schen Bedenken in den Weg stellte.
Während sich Virginia um Charley kümmerte,
beruhigend auf ihn einsprach und ihn streichelte,
öffnete Nick die Kühlschranktür. Es war wirklich
eine gute Idee von Virginia gewesen, in die Küche
zu gehen. Hier konnten sie zur Ruhe kommen und
- ohne sich um andere Leute Gedanken zu machen
- um den verstörten Hund kümmern. Was Nick
nicht bemerkt hatte, war Gillian, die gerade zur
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Tür auf der gegenüberliegenden Seite der unüber-
sichtlich großen Küche den Raum betreten hatte
und nun ihren Blick zwischen Virginia und Nick
hin- und herwandern ließ. Hätte er sie bemerkt, so
hätte er sich wahrscheinlich gewundert, warum
sie dort ohne ein Wort der Begrüßung stehenblieb
und sie stumm beobachtete.
»Mit was konnen wir Charley denn trösten?«
fragte Nick.
»Eiscreme ist immer gut«, meinte Virginia.
»Genau mein Gedanke.«
»Aber ich wette, ein so fieser Mensch wie Onkel
Mallory hat kein Eis da«, klagte Virginia. Sie ver-
suchte zu lächeln, aber es wurde nur eine verzerrte
Grimasse daraus. Die beiden letzten Tage mußten
dem kleinen Mädchen sehr zugesetzt haben.
»Selbst Leute wie Mallory mögen Eis, Virginia«,
sagte Nick. Er erwiderte Virginias Lächeln auf
seine ganz eigene Art, auf die Art, die schon vor
Jahrhunderten jedes Lebewesen verzaubert hatte: [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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